Erinnerungen an verheerende Kriegsjahre vor Ort sollen mahnen
Für eine mitunter beklemmende, angespannte Atmosphäre sorgten Christa Kröner-Kußmaul, Helene Schwarz und Edgar Kunzmann in der Alten Kirche Wilferdingen: Sie riefen die tragischen Jahre vor und während des Zweiten Weltkriegs in Erinnerung: mit Erzählungen ihrer Eltern, vielen Dokumenten, Bildern und Schriften in einer begleitenden Ausstellung, mit Tagebüchern oder Aufschrieben eines Wilferdinger Lehrers und eines Feuerwehrmannes. Der Bezug zum Heimatdorf rückte die schlimmen Geschehnisse umso näher ins Bewusstsein. Viele Plätze oder Personen erkannten die Besucher direkt. Immer wieder sorgten die drei für ein Raunen der auch am zweiten Abend dicht gedrängten Besucher – bei der ersten Veranstaltung hatten viele Interessierte keinen Platz mehr bekommen. „Wir möchten dadurch auch mahnen, damit sich die schrecklichen Ereignisse in unserem Land nicht wiederholen, gerade zu dieser Zeit“, unterstrich Kröner-Kußmaul, deren Vater Werner selbst als Jugendlicher Kriegsdienst leisten und anschließend einige Jahre in Kriegsgefangenschaft verbringen musste, „Viele konnten darüber reden – andere konnten nur schweigen.“
Nachdem Kunzmann in einer kleinen Geschichtsstunde die Machtergreifung Hitlers nachzeichnete, verdeutlichten Schwarz, deren Mutter selbst Kriegswitwe war, und Kröner-Kußmaul die schleichenden Entwicklungen vor Ort. Durch Zwangseingliederung von Vereinen, kaum durch freiwilligen Zulauf, sei die Hitlerjugend gewachsen. Kriegsveteranen des Ersten Weltkriegs bekamen Hakenkreuzorden und der bisherige Bürgermeister Friedrich Wilhelm Schäfer, der 1935 ablehnte, die Hakenkreuzflagge vor dem Rathaus zu hissen („Wir sind hier im Badischen, nicht in Preußen“), wurde des Amtes enthoben. Stattdessen pflanzte man eine Linde zum Geburtstag des Führers, dessen Namen auch die Hauptstraße trug. Auf dem Weg in das 1933 von einem verheerenden Großbrand getroffenen Öschelbronn war Hitler auch durch Wilferdingen und Singen gefahren. Immer häufiger gab es Eintopf zum Mittag – das Ersparte bekam die Volkshilfe.
Als sich die Männer zum Krieg rüsten, rufen sie noch entschlossen: „Stalin und Konsorten werden türmen, wenn die Wilferdinger Schnokenschießer stürmen.“ Luftschutzbunker werden gebaut, Lebensmittel- und Kleiderkarten ausgegeben, es gibt ein Verdunklungsverbot. Beim Aufruf zur Metallsammlung opfert der Gesangverein noch fröhlich Orden – bald muss aber auch die Kirchenglocke weichen. Nicht nur Kohle, sondern auch Stroh wird knapp. Die Tierhalter streuen mit Laub aus dem Wald ein. Der Krieg rückt immer näher, bis es auch in Wilferdingen zu verheerenden Bränden und Bombeneinschlägen kommt. Im Januar 1944 wirft eine Frau aus Frust das Hitlerbild auf den Misthaufen – wenig später wird sie von der SS nach Auschwitz abtransportiert. Wenige Wochen nach dem katastrophalen Bombenangriff auf Pforzheim wird am 18. März 1945 die um 6 Uhr morgens begonnene Konfirmation in der Alten Kirche Wilferdingen vom Bombenalarm überschattet – eine Konfirmandin schafft es nicht mehr rechtzeitig nach Hause. Anfang April nutzen viele das Frühlingswetter im Morgengrauen zum Kartoffelpflanzen – erneut fällt eine Bombe. Am Sonntag, 8. April 1945, läuft Bürgermeister Zachmann dem Einmarsch der Franzosen mit einer weißen Flagge entgegen. Ein Monat später ist der Krieg zu Ende, doch noch lange passiert Schlimmes – ob in Kriegsgefangenschaft, wenn Kinder in der Pfinz nach Granaten fischen oder wenn beim Schuttabkippen Munition getroffen wird.
jza
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