Man kann im Alter auch noch schlau werden

Vorbemerkung:
Dieser Kommentar bezieht sich auf eine lange Geschichte, in der es in weiten Teilen um normale kommunalpolitische Meinungsunterschiede und das Ringen um die richtigen Lösungen geht. Dafür würden es ein paar Sachnachrichten tun. Diese Geschichte wird aber auch geprägt von einer besonderen Konstellation von Protagonisten und sie zeigt etliche Verirrungen, Übergriffiges, Anschuldigungen, kreative Interpretation von Zahlen und Fakten und vielleicht sogar Verleumdungen, die alle miteinander seit langem die Ortspolitik mitbestimmen und wahrscheinlich sogar Wahlergebnisse beeinflusst haben. Deshalb veröffentlichen wir hierzu neben der üblichen Berichterstattung einen unserer seltenen Meinungskommentare des Herausgebers:


Kommentar

Gegen Ende einer hitzigen Debatte in der gestrigen Sitzung des Remchinger Gemeinderats beendete der scheidende CDU Fraktionsvorsitzende Thomas Walch seine Aufforderung an den Bürgerlistenchef Wolfgang Oechsle, die Dauerfehde um den Rathausbau und die Verunglimpfung von Ex-Bürgermeister Prayon und Ex-Kämmerer Gerd Kunzmann endlich einzustellen, mit dem Appell "man kann im Alter auch noch schlau werden".

Der Wunsch ist verständlich, wird sich aber eher nicht erfüllen. 

Beginnen wir die lange Geschichte (in Kurzfassung) von vorn. 

Altbürgermeister Wolfgang Oechsle haben seine unbestrittenen Verdienste und Orden sowie die allgemeine Anerkennung für eine 37 jährige Amtszeit offenbar nicht gereicht, um einfach den Ruhestand vom Spielfeldrand der Ortspolitik aus zu genießen.

Der von ihm missbilligte vom damaligen Gemeinderat beschlossene Bau des Rathauses gab den Anlass zu gescheiterten Versuchen für einen Bürgerentscheid und zu Protestaktionen wie etwa ein am Altenpflegeheim angebrachter Großbanner "Caesar Prayon, er kam, sah und sägte". Als einige Jungbäume auf einer tristen Wiese vor dem Altenheim für das Bauvorhaben "abgesägt" waren, wurde es übergriffig für die an der Abstimmung beteiligten Ratsmitglieder, die ihre Namen mit Trauerkerzen auf den Baumstümpfen angebracht fanden. 

Als etwas später die Pforzheimer Zeitung titelte "Geben die Remchinger Rathaus-Gegner auf?", zeigte die Initiative Durchhaltewillen mit der Ankündigung, für den nächsten Gemeinderat mit einer eigenen Bürgerliste anzutreten. Wolfgang Oechsle - bis dahin mehr aus der Deckung agierend - stellte sich an die Spitze der Liste und übernahm ab 2019 mit zwei weiteren Gemeinderäten eine häufig zwiespältige Rolle.

So wurden alle wichtigen Beschlüsse des Gemeinderats inklusive Haushalte von der Bürgerliste mitgetragen. Aber als ob es das nie gegeben hätte, wurde zugleich in Beiträgen im  Gemeindeblatt und auf Flugblättern die zuvor mitbeschlossene Haushaltsführung als unseriös, rechtswidrig und sowieso falsch gebrandmarkt. 

Um den Aufregungslevel weiterhin hoch zu halten, brachte jetzt die Bürgerliste einen mehrteiligen Antrag zur Baukostenabrechnung des Rathauses ein, der schon allein wegen der vorverurteilenden Formulierung für alle anderen Parteien nicht zustimmungsfähig war. Originaltext: "Aufgrund der unübersichtlichen, unordentlichen und teilweise gesetzwidrigen Haushaltsführung stellen wir an die Verwaltung die ... Anträge". Es wurde also eine Prüfung beantragt, deren Ergebnis schon im ->Antragstext festgelegt werden sollte. 

Dem gewieften Taktiker Oechsle wird die Aussichtslosigkeit dieses Antrags von Anfang an bewusst gewesen sein. Dass er damit nur der Gemeinde-Verwaltung Arbeit auf Kosten der Remchinger Bürger bescherte, egal - Hauptsache Aufregungslevel halten. In einer dem Antrag vorangestellten von den Räten Scheurer, Praefcke und Oechsle unterschriebenen Erklärung wird dem Ex Bürgermeister Prayon eine Handlungsweise vorgeworfen, bei der es sich (wörtlich) "um ein schwerwiegendes Dienstvergehen" handeln soll.

Der Grüne Fraktionsvorsitzende Jurist Klaus Fingerhut nahm diese Formulierung zum Anlass, §186 des Strafgesetzbuchs zu zitieren: "Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts ... begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Politiker Oechsle, Verwaltungsfachmann Scheurer und Polizistin Praefcke wird das wohl eher nicht erreicht haben. Sie vertrauen vermutlich darauf, dass die von der - sagen wir mal vermuteten - Verleumdung betroffenen Personen neue Aufgaben haben und die Dauerquerelen hinter sich lassen möchten.

Wie die Geschichte - oder wohl eher - dieses Kapitel zu Ende ging?

Auf Oechsle Art:
Nachdem die "Stinkbombe" lange genug auf dem Besprechungstisch lag und ausdampfen konnte, wurde sie wieder eingepackt, vulgo Antrag zurückgezogen. Für langgediente Ratsmitglieder ein ihnen sehr vertrautes, weil oft miterlebtes Oechsle-Verfahren, die gewünschten Aussagen zu platzieren, aus denen sich die Geschichte später weiter entwickeln lässt. Ein zurückgezogener Antrag ist dafür besser geeignet als die klare Abstimmungsniederlage. 

Ist damit die Geschichte erledigt, wird das Buch mit der Oechsle Rathaus-Saga zugeklappt?

Kehrt jetzt Ruhe ein, damit man sich auf die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen konzentrieren kann? Mindestens zwei Indizien sprechen dafür, dass das noch nicht geschehen wird:

Indiz 1
Bürgermeisterin Julia Wieland und Kämmerer Frank Burghardt sind von Wolfgang Oechsle für ihre bisherige Arbeit ausdrücklich und bei etlichen Gelegenheiten sehr gelobt worden. Bislang ist honeymoon.

Nachdem in der Gemeinderatssitzung die Verwaltung in der von Kämmerer Burghardt vorgetragenen Stellungnahme keine Unterstützung für den Bürgerlisten-Antrag erkennen ließ, könnte das Punktekonto für eine künftige Zuerkennung von Lob schon mal gelitten haben. Die bereits früher zitierten langgedienten Gemeinderäte erinnern sich, dass die Oechsle-Dauerfehde mit Ex-Kämmerer Kunzmann und Ex-Bürgermeister Prayon einen ähnlichen Anfang genommen hat. Man wünscht solches der auf Sachlichkeit und Ausgleich fokussierten Arbeit der neuen Führung nicht.

Indiz 2
Taktisch clever war im Bürgerlisten-Antrag neben Anderem auch eine auf den ersten Blick überflüssige Selbstverständlichkeit verlangt worden. Und zwar die Prüfung der Baukostenabrechnung für das Rathaus durch die schon von Amts wegen dafür zuständige Gemeindeprüfungsanstalt. Wenn die Zeit dafür gekommen ist, wird also das im - zurückgezogenen - Antrag Verlangte ohnehin stattfinden. 

Das ist dann die Gelegenheit für die politische Verwertung: Es  wird wohl mit einem "wie wir schon immer verlangt haben, sind die Baukosten geprüft worden" als Sieg verkauft werden. So kann man Stimmen gewinnen, Reputations-Punkte für ein auf solide ehrenamtliche Arbeit angelegtes Engagement eher nicht.

Dezent grinsend zog Oechsle den von vornherein chancenlosen Antrag zurück mit dem Hinweis, dass jetzt dann ja geprüft werde und dann werde man schon sehen.   

Fazit: 
Die nächsten Kapitel der Rathaus-Saga werden geschrieben werden. Das frühestmögliche Schlusskapitel könnte die Auswertung des Prüfungsberichts  der Gemeindeprüfungsanstalt sein. Wenn da nicht ...

... zwischenzeitlich der von der Bürgerliste so wenig geschätzte Ex-Kämmerer Kunzmann in die Leitungsebene eben jener Gemeindeprüfungsanstalt berufen worden wäre.  

Es fällt schwer zu vermuten, dass die Bürgerliste diese Berufung als fachliche Anerkennung von höherer Stelle für korrekte Kämmerer-Arbeit und mithin als Anlass zum Überdenken der unablässig wiederholten Vorwürfe sehen wird. Wahrscheinlich ist eine neue Wendung im nächsten Kapitel zu erwarten. Man darf gespannt sein.

Und Thomas Walch wird sich mit seiner Hoffnung, dass man im Alter auch noch schlau werden könnte, im vorliegenden Fall wohl eher auf eine Enttäuschung einstellen müssen. 

Joachim Geffken
Herausgeber

Die BL-Gemeinderäte Scheurer, Oechsle und Praefke (vlnr) Foto: Remchingen-prima
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