Ratsmehrheit blockiert nach umstrittener Nachrücker-Verpflichtung sämtliche Beschlüsse

Eigentlich hätte sich der Remchinger Gemeinderat am Donnerstagabend mit 18 teils weitreichenden Entscheidungen befassen sollen – doch nach dem zweiten Punkt war Schluss: Die Besetzung des dritten Sitzes der Bürgerliste sorgte für einen Eklat im Gremium – und für einen Abbruch der Sitzung, den CDU, Freie Wählervereinigung und SPD herbeiführten. 

Doch der Reihe nach:
Wie mehrfach berichtet, hatte der gewählte Bürgerliste-Kandidat Lorenz Praefcke im Juli für Empörung gesorgt, nachdem der 85-Jährige erklärt hatte, sein Amt nicht anzunehmen – anders als bei der Ergebnisbekanntgabe beteuert. Praefcke hatte das Gremium bereits 2011 und 2021 auf eigenen Wunsch frühzeitig verlassen.

Doch diesmal erteilte sowohl das alte, als auch in einer Sondersitzung im August das neue Gremium dem Antrag des 85-Jährigen eine Absage. Beide erkannten mit Verweis auf die Vorgeschichte weder Krankheit, noch Alter als „wichtige Gründe“ an, obwohl die Gemeindeordnung dies so vorsieht. Stattdessen warfen sie der Bürgerliste „Trittbrettfahrerei“ und „Wählertäuschung“ vor. Auch Nachrücker Thomas Merz kam damit noch nicht zum Zuge.

Bürgermeisterin Julia Wieland (fraktionslos) musste jedoch gemäß Verordnung beide Entscheidungen als rechtswidrig erklären – und die Angelegenheit der Rechtsaufsichtsbehörde des Landratsamts vorlegen.

Diese erklärte die beiden Beschlüsse ebenso als rechtwidrig und ordnete an, dass der Gemeinderat einen „wichtigen Grund“ für den Nichtantritt Praefckes anerkennen solle. Dieser liege objektiv vor, so das Schreiben. Die Kandidatur für ein öffentliches Amt, das man nicht ausüben will, widerspreche zwar dem Zweck und Wesen einer demokratischen Wahl – Scheinkandidaten und ihre Wählervereinigungen müssten sich aber lediglich politisch gegenüber ihren Wählern und der Öffentlichkeit verantworten. 

Doch zur Entscheidung über Praefcke kam es am Donnerstagabend gar nicht: Die Gemeinde hatte zuvor den Tagesordnungspunkt des Nachrückens von Merz anberaumt – mit der Begründung, dass bereits die zweite Ablehnung im August eine aufschiebende Wirkung entfaltet habe und der Gemeinderatssitz besetzt werden müsse – unabhängig vom weiteren Verfahren in Sachen Praefcke.

Dies wiederum wollten die anderen Fraktionen verhindern: durch einen von Martin Gegenheimer (CDU) zu Beginn der Sitzung verlesenen Antrag von CDU, FWV und SPD (die Grünen waren nicht anwesend), das Nachrücken zu vertagen, bevor der „wichtige Grund“ für den Rücktritt Praefckes nicht festgestellt sei. Dem stimmten 16 Räte zu, Wolfgang Oechsle (BL) dagegen, Preafckes Tochter Ute (BL) setzte sich derweil weg vom Tisch.

Trotzdem führte Wieland die Verpflichtung von Merz durch und argumentierte: „Das Nachrücken ergibt sich aus dem angenommenen Wahlergebnis und eine Zustimmung des Gemeinderats ist nicht erforderlich.“ Auf Martin Rothweilers (FWV) Nachfrage, was denn passiere, wenn Praefcke sein Amt doch antrete und man einen Rat zu viel habe, antwortete sie, dass Praefcke ja abgelehnt habe und kein Anspruch mehr auf das Amt habe.

Die Verpflichtung sorgte für ein heftiges Raunen im Gremium. Kaum hatte Merz seinen Platz eingenommen, beantragte Christian Roser (CDU) eine 15-minütige Pause, während der sich alle Räte bis auf die Bürgerliste zurückzogen. Als sie wiederkamen, beantragte Gegenheimer, alle öffentlichen Tagesordnungspunkte zu vertagen.

Obwohl Wieland darauf hinwies, dass dies Konsequenzen für termingebundene Beschlüsse habe, stimmten 16 Räte für eine Vertagung – bei drei Gegenstimmen der Bürgerliste. Damit konnte nicht über die Vergabe der Gerüst-, Rohbau- und Dacharbeiten für die Sanierung der Turn- und Schwimmhalle entschieden werden, deren Spatenstich am Montagabend stattfinden soll.

Die Entscheidung über eine Bürgerbeteiligung zur Windkraft, zur Beschaffung eines Rüstwagens für die Feuerwehr, zur Kirchweih-Ladenöffnung am 20. Oktober oder zu drei Bauanträgen konnten ebenso nicht getroffen werden wie die Besetzung der Ausschüsse und Wahl der Bürgermeisterstellvertreter. Sofern es keine Sondersitzung gibt, ist die nächste öffentliche Ratssitzung am 17. Oktober geplant.    

Zwischen Klatschen und Verwunderung schwankte die Stimmung in den vollbesetzten Zuschauerreihen. Von einer „Klatsche“ war ebenso die Rede wie von einem „übertrieben aufgeblasenen Luftballon“ – bis jemand beim Hinausgehen vor der nicht-öffentlichen Sitzung versehentlich sämtliche Lichter ausschaltete und es duster wurde im Ratssaal.

jza

Für Empörung im Remchinger Gemeinderat sorgte die Verpflichtung von Bürgerliste-Nachrücker Thomas Merz (Mitte), die Bürgermeisterin Julia Wieland (fraktionslos) durchgeführt hatte, obwohl die Ratsmehrheit sie vertagen wollte. (Foto: Zachmann)
Verwaltung allein mit der Bürgerliste - die Ratsmehrheit berät über den Umgang mit der Situation (Foto:RPN/jge)
Ratsmehrheit vertagt alle Tagesordnungspunkte, um nach ihrer Ansicht angreifbare Entscheidungen aus dem Weg zu gehen (Foto: RPN/jge)
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